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Sie würde mich augenzwinkernd und schmunzelnd als vorlaut und naseweiß beschreiben und hinzufügen, dass ich eine Person bin, die sich nicht alles gefallen lässt. Sie wäre sehr stolz auf das, was ich in meinem Leben alles erreicht habe. In ihrer blumigen Sprache würde sie jedoch betonen, dass man sich selbst nicht so wichtig nehmen und nicht um alles so ein Theater veranstalten soll. Hätte sie zu Lebzeiten erfahren, dass ich ein Buch über sie geschrieben hätte, wäre sie empört gewesen, dass ich sie dadurch so in den Vordergrund geschoben hätte. Sie wäre erstaunt darüber, was ich alles recherchiert hätte. Gleichzeitig lautete einer ihrer Sinnsprüche „Bescheidenheit ist eine Zier – und darum verkneif sie dir“. Sie würde sich darüber freuen, dass die jungen Frauen von heute nicht mehr so viel kämpfen müssen wie noch vor hundert Jahren.
Käthe war eine Person, die sich nicht unterkriegen ließ und die Wert auf gutes und feines Benehmen legte, ohne dabei etepetete zu sein. In Gesellschaft wirkte sie ruhig und zurückhaltend, vielleicht sogar mit einem Hauch Schwermut, der von ihr ausging. Sie konnte sich zu manchen Themen sehr empören und entrüsten, z. B. wenn sich jemand schlecht benahm oder sich dumm verhielt. Sie verfügte über eine blumige Sprache und hatte zeitlebens den „Eifler Singsang“ in ihrer Stimme. Sie hatte für jede Lebenslage einen Sinnspruch auf Lager, z.B. „Dann eben nicht, liebe Tante, dann heiraten wir eben den Onkel, gibt auch ein schönes Kind“, wenn man ihr etwas versagte oder ablehnte, oder „Alles Scheiße, deine Elli“, wenn etwas misslang. Sie hatte immer ein Buch bei sich, in dem sie, wann immer sich die Gelegenheit bot, las. Sie liebte besonders Gedichte von Herman Löns.
Wir beide lieben Bücher! Wir lieben Romane und spannende Abenteuergeschichten, die in vergangenen Jahrhunderten spielen. Und Bücher, die in fremden Ländern spielen, in die man am liebsten während des Lesens sofort reisen würde.
Uns beiden ist gemein, dass wir schlechtes Benehmen nicht ausstehen können, z.B. extreme Unpünktlichkeit, ungehobelte Tischmanieren, lautstarke Auseinandersetzungen oder Streitigkeiten, in denen Menschen sich beleidigen, hinterlistiges Tratschen und Arroganz. Uns beiden missfällt es sehr, wenn Menschen sich – warum auch immer – über andere stellen und sich für etwas Besseres halten, z.B. Reiche über Arme, Weiße über Schwarze, Männer über Frauen, etc. In der heutigen Zeit würde Käthe sehr die Nase darüber rümpfen, wenn Menschen mehr auf ihre Handys schauen als auf ihr Gegenüber.
Ich beschäftigte mich schon seit vielen Jahren mit Familienforschung. Wenn man sich in Deutschland mit Familienforschung beschäftigt, stößt man zwangsläufig auf unschöne Themen, wie z. B. die beiden Weltkriege, die Zeit des Nationalsozialismus und die deutsch- deutsche Teilung. Irgendwann realisierte ich, dass Käthe und ihre Tochter, meine Mutter, mit ihren Biografien exakt diese Themen abbilden. Ich recherchierte Käthes Leben und stellte irgendwann fest, dass diese Geschichte aufgeschrieben gehört, damit sie nicht in Vergessenheit gerät. Je mehr ich recherchierte, desto mehr spürte ich, dass all diese Themen auch in mir bestehen und existieren.
„Käthe“ wurde zu einem großen Teil auf der Insel Ameland geschrieben, einem Ort, der voller Frieden und Ruhe ist und der es mir immer wieder ermöglicht, ganz tief in mich hineinzuhorchen. Auch mit „Traudel“ habe ich dort begonnen.
2013, nachdem meine Mutter Traudel gestorben war, las ich das Buch von Sabine Bode „Die vergessene Generation“. Während des Lesens schon hatte ich das Gefühl, dass hier über meine Großmutter und meine Mutter geschrieben wurde. Das Buch hat mich nachhaltig beeindruckt. Hier geht es um die sogenannte transgenerative Traumaweitergabe von Kriegskindern an ihre eigenen Kinder.
Mein beruflicher Werdegang, da besonders meine therapeutischen Zusatzausbildungen und meine Arbeit mit psychiatrisch erkrankten Menschen, haben u.a. dazu geführt, dass das Thema für mich immer präsenter wurde und zudem eine Basis für meinen Roman bildete, was sich im Untertitel „Überall ist Fremde“ niederschlägt.
Ein Großteil der Lebensgeschichte meiner Großmutter ist überliefert. Den Teil, den ich nicht recherchieren konnte und der nicht überliefert ist, ist von mir so hinzugefügt worden, wie es hätte sein können. Ich habe nicht den Anspruch die Deutungshoheit der Narration zu haben, aber vieles, was ich romanhaft ergänzt habe, könnte sich so abgespielt haben. Ich habe mich am Zeitstrahl der Geschichte orientieren können und dazu viel geforscht. Viele Familiengeschichten sind erzählt und überliefert worden und ich habe sie schon als Kind aufgesaugt wie ein Schwamm z.B. die von Wilhelm Garnieß, der Verehrer von Hedwig in den 30er Jahren. Sie selbst hat zu Lebzeiten die Geschichte von ihm und ihr immer wieder erzählt. Sie ist auch nach ihrem Tod weitererzählt worden. „Käthe“ ist voll von diesen Geschichten, die sich so und ähnlich zugetragen haben. Die militaristische Vergangenheit meines Großvaters Paul in den 20er Jahren war für mich ganz neu und ich habe sie der Familienchronik meines Großonkels Otto entnommen.
Die Geschichte der Görlitzer Familie Arnade habe ich diversen Geschichtsbüchern entnommen und sie ist traurigerweise wahr. Wie schön, dass ich ihr Andenken durch „Käthe“ bewahren kann.
Ich bin fasziniert von Frauen, die sich gegen die gesellschaftlichen Vorgaben ihrer Zeit stellen und ein anderes Leben wählen, als es ihnen vorbestimmt ist. Des Weiteren beobachte ich gerne Familien im Wandel der Zeiten, vor dem Hintergrund großer Anpassungsleistungen, Ressourcen und Überlebensstrategien.
Die Familie meines Mannes, die ich ebenfalls erforsche, wird in meinem dritten Buch, dass bereits in der Planung ist und für das ich fleißig recherchiere, eine große Rolle spielen. Während dieser Recherchen bin ich auf eine hochinteressante Frau gestoßen, die eine Hauptrolle in diesem Buch spielen wird.